offene Fragen

Brauch ich eine neue Zahnärztin?

Ich sitzliege auf diesem Stuhl. Zahnärztin wie gewohnt absolut deeskalierend, beruhigend, ganz genau beschreibend was sie macht, die Stimme so sonor und wohlig das man einschlafen könnte. Ich entspanne. Und das kann ich unter ihren kompetenten Händen schon viele Jahre, nehme auch eine längere Anfahrt in Kauf. Sie ist bekannt für ihre angstnehmende Menschenfreundlichkeit. Die wohl allerdings nicht allumfassend ist.
Während meiner Behandlung kommt die zahnmedizinische Fachangestellte herein berichtet von einem Notfall - eine neue Klientin bittet um einen Termin. Auf einem Zettel der Name. Der war sehr lang und hatte viele Vokale. Die Zahnärtin liest ihn seufzt laut, sagt da weiß man doch schon was da so kommt und kratzt weiter an meinem Vier-Sieben überkront...

Latent und offen diskriminierende Denkweisen und Aussagen sind Alltag. Heute sagte eine Klientin am Telefon: sie ziehe nur in Stadtteile mit geringem Ausländeranteil - Sie als alleinstehende Frau mit Hund. (Dieser Anteil liegt gesamtstädtisch im übrigen, wenn man in solchen Kategorien denken mag, bei 1,2 Prozent) Ich schweige dann - oder bei offenen Anfeindungen sage ich, dass diese unterkomplexe Darstellung der Realität nicht in dieses Büro/dieses Gespräch gehöre.
Nach unten treten wertet auf - besonders wenn Menschen in schwierigen Lebensituationen sind.

Die Zahnärztin ist aber keine Klientin und augenscheinlich nicht in einer schwierigen Lebenssituation. Auch wird ihre diskriminierende Einstellung sicher nicht weiter in unserer Beziehung im Mittelpunkt stehen. Aber es stört mich. Es stört mich vor allem auch weil sie in einem winzigen Ort agiert, der vor ein paar Jahren mediales Aufsehen erregte aufgrund einer Bürgermiliz, die einen jungen Mann mit Fluchttrauma und akuter psychischer Krise an einen Baum fesselte. Rechte Lager. Versuche einer Aufklärung. Bedrohungen. Aufgabe. Zurückgetretene Bürgermeisterin. Angezeigter Polizeipräsident. Angezeigte Bürgerwehr. Eingestellter Prozess. Kein öffentliches Interesse. Der junge Flüchtling ist im Winter darauf in einem sächsischen Wald erfroren.

Als ich beim letzten Zahnärztinbesuch falsch parkte und mit einem unverschämt horrenden Bußgeld sühnen sollte gab ich im Verwendungszweck an das Geld sei gut angelegt in Weiterbildungen zur Antidiskriminierung und Rassismusaufklärung.

Theorien des moralischen Urteils / bescheißt der Bofrost-Mann?

Es war einmal ein Umstand, den ein lieber Freund mir zutrug und den ich der Leserschaft nun zur Probe der eigenen Moral in aller Kürze darstellen will.

Zunächst der Schauplatz: eine sagenumwobene ostwestfälische Stadt, von der manche behaupten, es gäbe sie gar nicht. Die Protagonisten: Eine Familie mit Faible für überteuerte, heimgelieferte Tiefkühlkost, deren Sohn, wir nennen ihn Basti, und schließlich: der Bofrost-Mann.
Dieser ist der Familie lang bekannt, gern gesehen, so patent, sehr freundlich, Besitzer tiefer Lachfalten und eines ehrlichen Gesichts*. Man lässt sich seine Mini-Bifteki ja auch nicht von irgendwem liefern! Und dieser stolze Mann der Arbeiterklasse mit den ordentlich hochgekrämpelten Ärmeln, anpackend, kälteresistent, zutrauend - schien aber, das muss genannt werden, auch immer ein bisschen gebeutelt. Da gäbe es wohl ein Kind mit schwerer Mehrfachbehinderung, viel Last, viel Leid, wenig Geld. Ein Seufzen, ein Blick in die Ferne. Muss ja! Aber gleich zurück im hier und jetzt, zur Transaktion: mit Lächeln, Freundlichkeit und fast schon so etwas wie Vertrauen.
Nun begab es sich aber zu jener extra herausvordernden Zeit, Winter 2020/21, dass besagtem Freund Unregelmäßigkeiten in der elterlichen Bofrost Abrechnung auffielen. Der Betrag, der vom Konto abgebucht wurde, war bis zu 10% höher als die Summe der online bestellten Ware. Eine Beleganforderung bei Bofrost direkt brachte es nun ans Licht: da sind abgerechnete Waren drauf, die nie bestellt wurden. Wirsing-Hack-Auflauf.
Oh nein!
Aber wer will es verübeln - denn wie Bofrost wirbt: Den mögen alle gern!

Aber wie lange geht das? Wieviele gutbetuchte Renter:innen und reiche kochfaule Eltern mäkliger oder allergiegeplagter Kinder bezahlen für Hackpampe in köstlicher Rahmsoße und würzigem Edamer Käse, die auf dem Tisch des Fahrers landen?
Und ist das eigentlich Mundraub?
Und wie nun weiter? Zwei Fehllieferungen wurden gut dokumentiert. Die dritte soll nun hinzukommen um über weitere Verfahren nachzudenken.
Nun kann es diesen Mittwoch soweit sein. Als special feature zum vermeintlichen Betrug nun auch ein ZusatzCharaktertest: während der Transaktion wird ein Zettel mit Einzelsummen und Endsumme in den Warenkorb des tiefkühlspezialfahrzeugbereiften Wirsingfreunds gelegt. Als Wink und Hemmschwelle.
Ob es hemmt oder ob sich die kulinarischen Vorlieben des Fahrers geändert haben? Da der Argwohn auch meinem Naturell entspricht gehe ich, wie Basti, nicht davon aus. Mit Bedauern. Und wenn ich mir Kohlbergs Moralentwicklungsstufen zur Hilfe nehme, weiß ich auch nicht was zu tun ist. Die Prima-Kerl-orientierung von Stufe 3 lassen wir klar hinter uns, rein legalistisch (Stufe 5) ist natürlich alles klar... Stufe 6 aber, puuh, da kommen die Gewissens- und Prinzipienfragen, kategorischer Imperativ und abstrakte Maxime – und handlungsleitend die Mitsprache aller von Entscheidungen Betroffener... vielleicht ist das die Lösung?
Fortsetzung folgt.

*dramaturgisch ausgeschmückt

Vielleicht ist...

Martin Luther der angeschlagene Lockdown-Held den wir brauchen?

Martin Luther fühlte sich schon von Kindestagen an vom Teufel, von bösen Geistern und Dämonen verfolgt. Als er sich im Winter 1521/1522 unerkannt unter kurfürstlichem Schutz zum Übersetzen der Bibel ins Deutsche auf der Wartburg aufhielt, wurden seine Ängste in der Einsamkeit der dunklen Gemäuer vor solchen Attacken nur noch größer.

Für seine Zweifel, Traurigkeit und Depressionen, die ihn immer wieder überfielen, machte er den Teufel persönlich verantwortlich. Sobald es draußen auch nur polterte, er einen Sack voller Nüsse rascheln hörte oder ein schwarzer Hund in seiner Stube auftauchte, glaubte er, der Teufel sei gegenwärtig.”

Den schwarzen Hund seh ich auch ab und an. Aber hilft der Rückzug in die Studierstube/Homeoffice, eine Aufgabe und der twitter rant/die Familie anschreien ist der gelegentliche Tintenfasswurf?

Allerdings hatte Martin nur 10 Monate. Das ist genau 500 499 Jahre her. Er schrieb in Briefen er fühle sich nutzlos, hat nichts zu tun und sitze den ganzen Tag nur herum. Dennoch blieb er scharfsinnig, parierte den Wahn und hatte Mut und Muße seine selbstauferlegte Aufgabe zu Ende zu bringen.
(Bitter, dass ihn ein paar Jahre später auch noch die Pest erwartet.)
Homeschoolingsorgen hatte er jedenfalls nicht, aber auch keine Zentralheizung, keine dimmbare Schreibtischlampe, kein DeepL, kein candy crush, kein Netflix und kein Lieferando.
Womöglich helfen auch in der Neuzeit ein paar Übersetzungsübungen und ein bisschen inkognito unterwegs sein... Vielleicht braucht man zusätzlich auch einen Kurfürsten.
Und den Teufel!
Das ist nicht blasphemisch gemeint. Ich meine Luthers Auseinandersetzungen mit dem Teufel sind womöglich als heutige Methoden der Gestalttherapie brauchbar: persönliche negative Glaubenssätze outsourcen und denen dann mit Kommunikation begegnen. Verdrängung, Bewusstwerdung, Integration.
Umso prägnanter wenn dabei Dinge fliegen.

Inspriration

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Akutes

In meiner Eigenschaft...
In meiner Eigenschaft als hochnotkompetenter Twoday-Persönlichkeitsbera ter...
NeonWilderness - 2021/06/12 14:19
„Ich schluder traditionell...
„Ich schluder traditionell mit der Dokupflicht der...
C. Araxe - 2021/06/11 19:07
stop this correction
Gehe heut mit Lotte auf ein Konzert. Hab vergessen...
eika - 2021/06/11 09:15
Krümmung
Um halb vier die Nacht zu Ende. Die Unvereinbarkeit...
eika - 2021/06/07 08:57
Ein Synonym für lasst...
Ein Synonym für lasst hundert Blumen blühn
eika - 2021/06/06 11:42

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