angeführtes
«Dann, so wie alle meine Seelen
Bei dir im Paradies sind (und mir fehlen
Verstehen, Wachsen, Sehen ohne dich)
So wie die Sparren, mein Gebein,
Bei dir verharren, werden die Muskeln, Sehnen, Venen,
die Ziegel dieses Hauses, wiederkehren.»
Thomas Wolfe,
Schau heimwärts, Engel
„Es gibt kein schlimmeres Gift als das Blabla. Serviererinnen vom Lande fühlen sich danach wie venezianische Prinzessinnen; und später, wenn der Augenblick der Wahrheit kommt, die Rückkehr zur Wirklichkeit, dann stellst du fest, daß Worte nichts sind als ein Haufen ungedeckter Schecks. Mir ist tausendmal lieber, ein Besoffener greift dir an der Bar an den Hintern, als daß man dir sagt, dein Lächeln flöge höher als ein Schmetterling.“
Rat der Mutter
aus Mit brennender Geduld von Antonio Skármeta
Eine Liebeserklärung an Pablo Neruda
Jeder Psychiater, jeder Karriereberater, jede Disneyprinzessin kennt die Antwort:
„Sei du selbst! Folge deinem Herzen!“
Aber jetzt möchte ich wirklich wirklich einmal erklärt bekommen; was ist wenn einer zufällig von einem Herzen besessen ist, dem nicht zu trauen ist?
Was ist wenn das Herz einen aus eigenen unerforschlichen Gründen willentlich und in einer Wolke unaussprechlichen Leuchtens wegführt von Gesundheit, Häuslichkeit, staatsbürgerlicher Verantwortung, starken gesellschaftlichen Bindungen und allen unbestrittenen gemeinsam akzeptierten Tugenden. Geradewegs hinein in das schöne Lodern des Verderbens, der Selbstzerstörung, der Katastrophe.
Ist das richtig: Wenn dein tiefstes Inneres dich singend zum Scheiterhaufen lockt, sollst du dich da lieber abwenden? dir die Ohren mit Wachs verstopfen? den perversen Glanz ignorieren von dem dein Herz dir zubrüllt... dich selbst auf einen Kurs bringen, der dich pflichtbewusst zur Norm führt, zu vernünftigen Arbeitszeiten und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung. Zu stabilen Beziehungen und einer zielstrebigen Karriere? Sonntagszeitung und Brunch danach und das alles verbunden mit der Verheißung irgendwie ein besserer Mensch zu werden.
Oder ist es besser: Kopfüber und lachend in das heilige Wütend zu stürzen das deinen Namen ruft.
Es geht nicht um äußeren Schein.
Sondern um innere Bedeutung.
Um eine Pracht in der Welt. Aber nicht von der Welt.
Eine Pracht die die Welt nicht verstehen kann.
Um jenen ersten Blick auf das reine Andere - in dessen Anwesenheit du auswärts erblühst. Und blühst und blühst.
Ein Ich das man nicht will,
ein Herz für das man nichts kann.
Donna Tart
Was Alain de Botton erschreckt, ist das Ausmaß, in dem wir andere idealisieren können, wenn wir doch solche Schwierigkeiten haben, uns selbst zu tolerieren - oder gerade weil wir solche Schwierigkeiten haben.... Sich zu verlieben beinhaltet den Triumph der Hoffnung über die Selbsterkenntnis. Wir verlieben uns in der Hoffnung, dass wir in einem anderen nicht das finden, was wir in uns selbst finden, all die Feigheit, die Schwäche, die Faulheit, die Unehrlichkeit, die Kompromisse und die Dummheit. Wir werfen eine Glasglocke der Liebe über die Auserwählten und beschließen, dass alles in ihnen irgendwie frei von unseren Fehlern sein wird. Wir lokalisieren in den anderen eine Vollkommenheit, die sich uns in uns selbst entzieht, und hoffen, durch unsere Vereinigung mit den Geliebten (gegen die Beweise aller Selbsterkenntnis) einen prekären Glauben an unsere Spezies aufrecht zu erhalten.
Wenn man nicht völlig von der eigenen Liebenswürdigkeit überzeugt ist - so Alain de Bottons Annahme - kann das Empfangen von Zuneigung wie eine Ehrung für eine Leistung erscheinen, mit der man sich nicht verbunden fühlt. Liebende, die unglücklich genug sind, solchen Typen das Frühstück zu bereiten, müssen sich auf die Vorwürfe gefasst machen, die allen falschen Schmeichler:innen zustehen.
Albert Camus schlug vor, dass wir uns in Menschen verlieben, weil sie von außen betrachtet so ganz aussehen, körperlich ganz und emotional beieinander, während wir uns subjektiv zerstreut und verwirrt fühlen. Wir würden nicht lieben, wenn es keinen Mangel in uns gäbe, aber wir sind beleidigt, wenn wir einen ähnlichen Mangel im anderen entdecken. In der Erwartung, die Antwort zu finden, finden wir nur das Duplikat unseres eigenen Problems.
Denn er scheint ein bisschen selbstgefällig zu sein und hat es gern, wenn man ihm zuhört. Aber das ist ja schließlich nichts schlimmes (...)
Du kennst den Charakter deiner Schwester, lieber Rodja. Sie besitzt viel Festigkeit, einen guten Verstand. Ist geduldig und hochgesinnt.
Allerdings hat sie ein heißes Herz, das ich zur Genüge an ihr kennengelernt habe. Natürlich ist weder auf seiner noch auf ihrer Seite eine besondere Liebe vorhanden. Aber Dunja ist nicht nur ein verständiges Mädchen, sondern zugleich auch ein Wesen von engelhafter Güte und wird es als ihre Pflicht und Aufgabe betrachten einen Mann glücklich zu machen, wenn dieser auch seinerseits auf ihr Glück bedacht ist. Und das das Letztere der Fall sein wird, daran haben wir vorläufig keinen eigentlichen Grund zu zweifeln.
Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Schuld und Sühne, aus dem Brief der Mutter
Echo war eine Nymphe, die den Fehler machte eine Göttin zu verärgern. Echos rednerisches Talent war bekannt, daher bestrafte sie die Göttin damit, von nun an rein die Worte der anderen wiederholen zu können.
So war Echo nicht in der Lage, dem schönen Jüngling Narcissus ihre Liebe zu gestehen. Als dieser sich eines Tages im Wald verirrte, wollte sie Kontakt mit ihm aufnehmen - konnte aber selbst kein sinnhaftes Gespräch beginnen. Sie folgte ihm durchs Unterholz.
Endlich rief er: Ist jemand hier?
Und sie antwortete aus dem Gebüsch, wo sie sich versteckte:
//Hier, hier!
Und sie fuhr fort immer zu wiederholen was er sagte.
Narcissus genoss das eine Zeit lang: Komm!
//Komm, komm!
Warum meidest du mich?
//Meidest du mich, meidest du mich?
Lass uns hier zusammenkommen!
//Hier zusammenkommen!
Als Echo sich ihm schließlich mit ausgestreckten Armen näherte und Narcissus merkte, dass sie nur hilflos seine Worte nachplapperte stieß er sie weg und schwor: Ich würde eher sterben, als zuzulassen, dass du mich besitzt.
Er verschmähte ihre Umarmung. Echo fühlte sich so elend und gedemütigt, dass sie sich in einer Höhle versteckte, keine Nahrung mehr zu sich nahm und schließlich in Luft auflöste. Nur ihre Stimme blieb.